Hörst Du mich?

Von der Kunst des Zuhörens – von der alle sich wünschen, dass der andere sie beherrsche. Der größte Irrtum liegt vielleicht darin, zu glauben, Zuhören sei etwas Passives, nur weil wir uns dabei ruhig verhalten.

Aus dem Personal Letter vom Februar 2016:

Viele Führungskräfte heutzutage wollen lernen, wie sie ihre Mitarbeiter als Coach und mit der Haltung des Fragenden führen können. Das ist gar nicht so einfach. Denn Menschen werden zu Führungskräften, indem sie Wissen anwenden, Antworten geben, Vorschläge und Lösungen kommunizieren, Ansagen machen, briefen, Feedback geben und erklären, erklären, erklären …

Diese Rolle mit der des Zuhörers zu tauschen, fällt den meisten nicht gerade leicht. Zudem in unserer Gesellschaft Kommunikationsstärke oft mit Durchsetzungsvermögen gleichgesetzt wird. Der Redner ist der Macher – wichtig, klug, sichtbar. Wer redet, gibt im wahrsten Sinne des Wortes den Ton an. Im Umkehrschluss wird jemand, der zuhört, eher schon mal als unsicher und schwach wahrgenommen – es kann sogar der Eindruck entstehen, dass der, der viel zuhört, nichts zu sagen hat.

Wer seine Mitarbeiter anleiten will, dass diese sich selbst helfen lernen, sich schneller weiter entwickeln – der muss vom „Senden“ auf „Empfangen“ umschalten. Viel zu oft sind wir darauf gepolt, uns zu äußern, etwas beizutragen, verbal in Erscheinung zu treten.

Wir wollen gehört werden – hören uns oft am liebsten eben selbst reden … und müssen so immer darauf hoffen, dass wenigstens der andere die Kunst des Zuhörens beherrscht.
Dabei steckt im scheinbar passiven Zuhören eine große Kraft!

Die wunderbare Wirkung des Zuhörens

Zuhören ist die Basis jeder Kommunikation und ermöglicht einen Dialog mit anderen. Es ist die Voraussetzung für Vertrauen, Verbindung und Gemeinschaft. Denn erst durch das Zuhören wird eine Verbindung zwischen uns Menschen hergestellt. Die Grundvoraussetzung für aufrichtiges Zuhören sind: innere Bereitschaft, Offenheit und Konzentration. Denn der größte Irrtum liegt vielleicht darin, zu glauben, Zuhören sei etwas Passives, nur weil wir uns dabei ruhig verhalten.

Es ist fast umgekehrt: Beim Zuhören sind all unsere Sinne aktiv. Wir spüren die Körpersprache unseres Gegenübers. Wir lauschen seiner Stimme, hören seinen Atem, sehen seine Mimik, fühlen seine Anspannung. Gutes, wohlwollendes Zuhören ist ein Zustand höchster Konzentration und Empathie. Wir nehmen uns dabei selbst ein Stückchen zurück und geben dem anderen Raum: Raum zu reden, um sich zu öffnen.

Wer zuhört, bewirkt viel: Er hilft, unterstützt, erleichtert, klärt auf und macht vielleicht auch glücklich. Er schenkt seinem Gegenüber sein Ohr. Und manchmal findet derjenige, der mit uns spricht, plötzlich eine Antwort in sich selbst, weil er sich aussprechen durfte und gehört wurde.

„Wenn man mir nicht zuhört, dann ist das, als ob ich nicht da wäre“, sagte Eva, eine 7-jährige Grundschülerin aus dem Hörclub der Stiftung Zuhören.

Als gute Führungskraft sind wir gefordert, unsere Mitarbeiter wahrzunehmen, denn nur so fühlen sie sich ernst genommen, werden motiviert und identifizieren sich mit ihrer Arbeit, ihrem Umfeld.

Wie Sie zum guten Zuhörer werden

Wenn Sie als Führungskraft zum Empfänger werden wollen, brauchen Sie Interesse an dem, was der andere denkt, fühlt und sagt. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung für gelingendes Zuhören.
Sie sollten wach sein und präsent beim Zuhören – nur dann spürt Ihr Gegenüber, dass es Ihnen ernst ist – dass Sie wirklich hören wollen, was der andere mitzuteilen hat. Das ist mindestens so anstrengend, wie auf „Senden“ gepolt zu sein. Aber wesentlich erkenntnisreicher!

Beim Zuhören schenken Sie dem Anderen Aufmerksamkeit, Achtung, Geduld und Zeit. Letztendlich wünschen sich Mitarbeiter ja das Gleiche wie ihre Führungskräfte: eine Kultur des Vertrauens und eine stärkere Bindung im Team – mit dem Zuhören können Sie aktiv dazu beitragen, dass diese Kultur entsteht und lebendig bleibt.

Ein paar Grundtechniken braucht das Zuhören, damit es gelingt:

1. Nicht urteilen, nicht loben, nicht kritisieren. Einfach: wahrnehmen.
2. Nicht unterbrechen, nicht drängeln. Einfach: ruhig sein.
3. Nicht „technisch“ zuhören, sondern mit Ehrlichkeit, Interesse und Wohlwollen.

Kennen Sie die Figur der Momo aus dem gleichnamigen Roman von Michael Ende? Momo konnte genau das: „Momo konnte zuhören, dass rastlose Menschen oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten; oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten und froh wurden. So konnte Momo zuhören.“

Fragen Sie sich in einer ruhigen Minute:

  • Wie gut kann ich zuhören?
  • Bin ich eher Sender oder Empfänger?
  • Und zu welcher Zeit, in welchen Situationen ist welche Haltung hilfreich(er) oder hinderlich(er)?

Mit stillen Grüßen,
Ihre Kereen Karst

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